MIDLIFE CRISES ODER UNBÄNDIGE ABENTEUERLUST?
…keine Ahnung – ist aber auch egal! Wir wollten Motorradfahren und wir wollten Reisen. Und so kam ein fast 41.000 km langer Ritt auf dem Pazifischen Feuerring zusammen.
Freiheit, atemberaubende Natur, hilfsbereite Menschen und zwei Motorradfahrer, die wahrscheinlich niemals in der Lage sein werden, das Erlebte zu vergessen.
Ich musste raus hier! Eine Trennung, Tag ein, Tag aus der gleiche Rhythmus und überhaupt hatte ich das Gefühl, dass mir jede Entscheidung abgenommen wird und ich nur noch fremdbestimmt werde. So nahm ich mir eine Auszeit von 12 Monaten. Auch wenn man mir mehr oder weniger deutlich bescheinigte, dass das der beruflichen Karriere nicht unbedingt zuträglich sei. Egal! Ich fing an zu planen, verbesserte meine Spanischkenntnisse und frischte meine Selbstverteidigungskünste mit Krav Maga auf.
Denn mit Aussicht auf ein Jahr Freiheit und einer zuverlässigen, alten Africa Twin hatte ich bei einer Flasche Bier auf die große Weltkarte geschaut und plötzlich war alles klar: ich fahre von Alaska runter nach Chile. Dieser Weg scheint für mich vorbestimmt, denn ich spreche englisch, da ich als Austauschschülerin mal ein Jahr in den USA verbracht hatte und habe über die Jahre spanisch gelernt. Die Westküste Amerikas liegt auf dem sogenannten pazifischen Feuerring und viele Sendungen und Reportagen sprechen immer wieder davon, wie vielschichtig und interessant der amerikanische Kontinent ist.
1 ½ Jahre bevor es losging verliebte ich mich wider jeder Statistik (über 40, weiblich und nicht reich = angeblich ist es wahrscheinlicher im Lotto zu gewinnen als mit diesen Voraussetzungen eine feste Beziehung einzugehen!) Zum Glück akzeptiert mein Traummann meine Macken. Denn davon hab ich einige! Im Gegenteil, er unterstützte mich und bestärkte mich darin, dass ich auf jeden Fall die geplante Tour angehen solle.
HaDi (Hans-Dieter) erkämpfte sich mit vielen Überstunden und altem Urlaub fast 5 Monate frei und so war der Plan, dass ich zwar alleine in Anchorage starte, wir aber ab Las Vegas gemeinsam weiter fahren.
Wenn man mal ganz nüchtern an die Sache rangeht sind eigentlich nur wenige Dinge wichtig: man sollte sein Motorrad kennen und zumindest einen Grundsachverstand von dem Fahrzeug haben; weniger ist mehr! Auch wenn ich auf Schuhe stehe (eine weitere Macke!), nur das Nötigste darf mit Motorradbekleidung, Werkzeuge, Zelt, Isomatte, Schlafsack und Campingkocher müssen einiges aushalten und sollten von Top Qualität sein, der richtige Reifen bedeutet Vertrauen und Fahrspaß.
Zum ersten Punkt: Ich bin, seitdem ich meine Africa Twin habe, im Africa Twin Forum/Stammtisch Westerwald (www.africatwin.de). Die Jungs haben mir, und später uns, unglaublich viel beigebracht und die typischen Schwachstellen des Motorrades überprüft und teilweise ersetzt.
Zum zweiten Punkt: Ich habe nur meine Crossstiefel und ein Paar Turnschuhe mitgenommen – autsch! Zum dritten Punkt: 2012 hielt ich eine Werbung von DANE in den Händen – hier suchte man Paare, die mit ihrem Motorrad auf Weltreise gehen.
Wir haben uns beworben und waren überglücklich, dass DANE uns ausgewählt hat. Denn wenn man mal überlegt, was die Motorradbekleidung auf dieser Tour alles aushalten muss: Kälte in Alaska/Canada und in den Anden Südamerikas; Sonne im Death Valley, auf der Baja California/Mexico und überhaupt Mittel- und Südamerika; Regen in den Nebelwäldern von Ecuador, im Norden Kaliforniens und zur Regenzeit in Mittelamerika; Trockenheit/Staub in den Wüsten Perus und Chiles, die Atacama Wüste gilt als trockenster Platz unseres Globus. Solche Extreme gibt es im heimatlichen Westerwald selten. Wir haben uns für die Jacke LIMFJORD und die Hose BRONDBY entschieden und ich darf es vorwegnehmen: es war eine Superentscheidung!
Was den Reifen angeht, hält es sich ähnlich wie mit der Kleidung – und hiermit zum letzten Punkt: Am besten man entscheidet sich für den, mit dem man sich wohl fühlt. Bei uns hieß das: K60 SCOUT von Heidenau.
ALASKA! Allein nur der Name verspricht Abenteuer, Freiheit und weites Land. So ging es für mich Anfang Juni 2013 los. Meine alte Twin wurde nach Anchorage geflogen und ich folgte ihr ein paar Tage später. Das Motorrad aus dem Zoll zu bekommen war leicht, denn ich hatte die entscheidenden Papiere (EPA – Environmental Protection Agency). So schraubte ich bei 18 Grad und strahlendem Sonnenschein mein Motorrad zusammen und schwups rollten die Räder und die ersten von insgesamt 40.700 km wurden abgespult.
Alaska ist flächenmäßig fünf Mal so groß wie Deutschland. Zunächst fahre ich in Richtung Kenai-Halbinsel. Sie liegt westlich von Anchorage. Auf der einen Seite liegt Seward und auf der anderen Homer mit der Landzunge Homer Spit. Um Kosten zu sparen campe ich.
Jeder und alles warnt mich vor den Bären in Alaska und Canada. Bereits hier in Deutschland gibt es Geschichten über Geschichten von Überfällen der Bären auf einsame Camper. Also ist eine der ersten Aktionen in einem Outdoorladen ein Bärenspray zu kaufen. Die Amerikaner lachen darüber. Hier oben in Alaska hat jeder Schusswaffen dabei. Ich beherzige die ganzen guten Tipps und lagere natürlich keine Nahrungsmittel/Getränke im Zelt, aber auch keine Medikamente, keine Zahnpasta und kein Mückenspray. Anfänglich! Denn mit den Tagen und Wochen die ins Land ziehen, wird man doch deutlich entspannter. Die Natur in Alaska ist atemberaubend und ganz oft habe ich das Gefühl ganz klein zu sein. Aber genau das ist es, was ich hier genieße. Mit einer Fähre geht es von Whittier aus nach Valdez. Die Fahrt geht durch den Prinz William Sund. Valdez gelangte 1989 zu trauriger Berühmtheit, als ein Tanker hier Millionen Liter von Öl verlor und der ganze Küstenstreifen verloren schien. Überraschender Weise hat sich die Natur jedoch schnell erholt und so erinnert heute für das ungeübte Auge nichts mehr an die Katastrophe.
Als ich mich in den Campingplatz von Valdez einschreiben will und ich die nette Dame hinter dem Tresen nach dem Wifi-Kennwort frage, lächelt sie und sagt: 3bearcubs – also übersetzt: 3 Bärenjunge. Ich frage genauer nach und sie erklärt, dass der Stolz der Stadt eine Bärin ist, die 2012 drei Bärenjunge durch den harten Winter bekommen hat. Gerade vor einer Woche sei sie wieder hier neben dem Campingplatz gesehen worden und alle drei Jungbären seien noch am Leben – was eine Seltenheit ist. Blöd nur, dass die Bärin gar keine Scheu vor Menschen hat und sie dieses Verhalten auch ihren Jungen beibringt. Während ich mein Zelt aufbaue überlege ich noch kurz, ob ich mir jetzt noch drei weitere Bärensprays kaufen sollte, komme jedoch zu dem Entschluss, dass ich auf Lücke setze.
Von Valdez geht es zunächst in Richtung Norden. Mein Weg führt mich über den Hatcher Pass Richtung Denali National Park – der sicherlich berühmteste Naturpark in Alaska. Teil des Parkes ist der Mount McKinley, der mit seinen 6193 m der höchste Berg Nordamerikas ist. Dieser Berg ist nur selten ohne Wolken zu sehen – doch ich habe Glück und kann ihn drei Tage in Folge klar sehen. Alaska ist so gut zu mir!
Es geht immer weiter Richtung Norden. Einen kurzen Abstecher gönne ich mir jedoch: Der Stampede Trail führt fast bis zum Magic Bus – dem Ort wo der Film „Into The Wild“ endet. Ich fahre den kleinen Wildpfad nur ein Stück und merke bereits nach einigen kleinen Flussdurchfahrten, dass ich dieses Abenteuer besser nicht ohne Begleitung und SPOT (Not-GPS Signal) machen sollte. Also geht es zurück auf den Georg Parks Highway und dann frohen Mutes auf den Dalton Highway, der kurz hinter der Stadt Fairbanks zur Piste wird und hinauf bis zum Arktischen Ozean nach Dead Horse führt. Die Piste empfinde ich als schwierig – ständig wechselt der Untergrund von Schotter auf Matsch, Sand und so weiter. Da die Straße von vielen riesigen Trucks befahren wird und der Permafrost immer wieder Teile der Piste reißen lässt, wird sie ständig ausgebessert. Und das immer mal wieder mit einer dicken, roten Matschepampe (man verzeihe mir mein Fachvokabular!). Nicht nur einmal kommt mein schwer beladenes Streitross ins Schlingern und ich kann an einer Stelle nur von Glück reden, dass ich nicht vor einen dieser viel zu schnell fahrenden LKW gestürzt bin. Als ich das übliche Poserfoto am Arctic Circle mache, bin ich bereits völlig fertig. Die letzte Möglichkeit Sprit zu tanken und zu übernachten ist die Kleinstadt Coldfoot. Ich darf neben der Tankstelle mein Zelt aufbauen.
Das gelingt nur mit massivem Einsatz eines Mückensprays, welches hier in Deutschland niemals zugelassen würde, da es zu 80% Deet enthält. Das Gift greift Plastik, Leder und Kleidung an. Aber anders lässt sich der „State Bird of Alaska“, wie die Einheimischen lächelnd ihre Riesenmücken nennen, nicht bekämpfen. Am nächsten Morgen entscheide ich wieder zurück zu fahren und mir die letzten Kilometer über die naheliegende Brooks Range zu sparen.
Ziel ist die Kleinstadt Tok. Hier wollen sich einige Motorradfahrer treffen, um dann gemeinsam über den Top Of the World Highway (auch offroad) nach Dawson City/Canada zu fahren. Denn in Dawson City ist am jährlich 21.06. ein berühmtes Motorradtreffen: Das „Dust to Dawson“ Treffen. Tok, der „Top Of The World“ Highway und Dawson City sind Orte die ich niemals wieder vergessen werde. Hier ist alles wild, ursprünglich und ehrlich. Immer mal wieder sieht man Menschen beim Gold schürfen, Der Wind, die Wolken und leichter Regen machen die ohnehin schmierige Strecke noch „interessanter“ und so bin ich mal wieder am Ende meiner Kräfte als ich runter auf den breiten Yukon River zufahre.
Das Motorradtreffen ist lustig und findet in Wildwest Kulisse statt – denn in Dawson City scheint Ende des 19. Jahrhunderts die Zeit stehen geblieben zu sein. Die Sonne geht hier 24 Std. nicht unter – sie beschreibt einen ovalen Kreis am Himmel. Es ist Sommersonnenwende.
Nach drei Tagen wildem Motorradtreffen im Norden Kanadas, befahre ich in Kanada den Alaska Highway. Dieser beginnt bei Kilometer 0 in Dawson Creek (nicht zu verwechseln mit der eben erwähnten Stadt!!!) und führt hoch bis nach Alaska zur Delta Junction. Ich fahre die Straße also absteigend und kann voraus nehmen, dass ich nirgendwo wieder so viele wilde Tiere gesehen habe, wie auf den folgenden ca. 987 km.
Es fängt an mit Elchen, Seeottern und unzähligen Bären – im Gegensatz zu einem wirklich großen Grizzly im Denaly NP sind sie jedoch kleiner und schwarz. Zu Anfang habe ich beim Vorbeifahren gedacht, es sei ein Schäferhund, bei näherer Betrachtung und langsamerer Fahrt erkennt man jedoch, dass das Tier nicht auf Kommando „Sitz“ machen wird. Auch fahre ich an einer Herde Pferde vorbei. Sie laufen hintereinander, ohne Halfter oder Brandzeichen auf dem Seitenstreifen des Highways, als hätten sie es so gelernt. Ich erblicke meinen ersten Bison und kann nicht widerstehen. Ich halte in ca. 300m Entfernung an, schnappe mir meine Kamera und gehe ruhig redend auf das Tier zu. Er liegt gemütlich in einem Sandloch neben der Fahrbahn. Plötzlich steht er auf, nimmt den Kopf runter und scharrt schnaubend. OK – das Zeichen verstehe ich. Rückwärtsgehend verabschiede ich mich um ca. 200 km weiter südlich in einer ganzen Herde Bisons zu stehen. In der Herde sind die Tiere deutlich ruhiger und freundlicher. Man gibt mir den Rat mich vor einzelnen Bullen fern zu halten.
Zu spät!
Ich schaue mir in Kanada noch den Schilderwald von Watson Lake, die National Parks Jasper und Banff, sowie die Gegend um Kelowna an, um dann über Vancouver nach Vancouver Island zu fahren und um abschließend diese Insel an zu schauen.
Überall wo ich auftauche, überall wo ich Leute anspreche oder angesprochen werde, werde ich freundlich behandelt. Auf einer Fähre zwischen dem Festland Kanadas, in der Nähe von Kilometer 0 des berühmten Highways 101, lädt mich eine Frau zu sich ein. Sie will mir mehr über die Gegend erzählen und ich kann Duschen und Wäsche bei ihr waschen: Das tollste Angebot, das man einer Motorradreisenden machen kann: Duschen und Wäsche waschen! Die Reise lehrt mich bereits früh, dass die Menschen sehr, sehr freundlich sind.
Von Vancouver Island aus nehme ich eine Fähre nach Port Angeles und bin somit wieder auf dem Gebiet der USA. Obwohl ich eigentlich grob Richtung Süden muss/möchte, kann ich nicht widerstehen und fahre vom Staat Washington aus über Idaho nach Montana, um dann nach diesem Ausreißer nach Osten wieder zurück in Richtung Pazifik zu fahren. In Washington bleibe ich einige Tage am Mt St Helens und erwandere die unbeschreibliche Natur. 1980 ist bei einem Vulkanausbruch der halbe Berg weggesprengt worden. Die Gegend wurde seither weitestgehend in Ruhe gelassen, um zu schauen wie sich Mutter Natur erholt. Ich fliege mit einem Hubschrauber über den Krater, in dessen Schlund sich bereits wieder ein kleiner Trichter erhebt. Mount St. Helens ist ein junger Vulkan – das war noch nicht alles!
Weiter geht es Richtung Süden durch Oregon in den Norden Kaliforniens. Hier schaue ich mir den Redwood NP mit seinen riesigen Bäumen an, die Naturparks Yosemite und Lasson. Schließlich komme ich auch noch auf den schmalen Grad, dass es toll wäre, Ende August durch das Death Valley zu fahren. Man glaubt gar nicht, wie angsteinflößend die Sonne bei über 54 Grad Celsius sein kann – kein Schatten, kaum Menschen und ich bin froh, dass mein altes Motorrad nicht überhitzt.
Am 28.08. treffe ich nach 18.300 km in Las Vegas auf HaDi und freu mich, dass er bei mir ist und wir ab jetzt zu zweit fahren. Es geht tiefer ins Mormonen Land, denn wir wollen uns das Valley of Fire, den Zion NP und den Bryce Canyon anschauen. Die Natur ist mal wieder grandios – ich weiß es langweilt, aber es ist nun mal so! Danach geht es über Traumstraßen zum Gand Canyon, den wir uns vom Norden und vom Süden aus anschauen.
Und dann kommt eine dieser Straßen, die bei Motorradfahrern Pipi in die Augen treiben. Die berühmte Route 66 fahren wir Richtung Westen, um durch Oatman mit seinen wilden Eseln und durch die Mojave-Wüste nach LA zu fahren. In LA treffen wir uns mit einem Freund aus dem AfricaTwin Forum. Sein Haus als Basisstation und Garage nutzend, können wir wichtige Instandsetzungsreparaturen machen und haben noch den ultimativen Reiseführer. Das ist schon ein riesiger Unterschied zu der Einsamkeit der National Parks. Hier in LA tobt der Mobb – die Highways sind randvoll gefüllt und wir kämpfen uns durch den „Trafficjam“. Als Kontrastprogramm zu den traumhaften Landschaften gönnen wir uns Hollywood, Manhattan Beach und einige andere Höhepunkte der Millionenstadt.
Nach fünf luxuriösen Tagen in LA zieht es uns wieder hinaus und der Weg führt uns über den verruchten Grenzübergang Tijuanas nach Mexico auf die Halbinsel Baja California im Westen des Landes. Die Halbinsel ist 1.200 km lang und an manchen Stellen nicht breiter als 80 km.
Hier erleben wir unsere „Road of Bones“:
Wir biegen von der mittig über die Halbinsel verlaufenden Bundesstraße 1 rechts ab und es fängt mit leichtem Schotter an, der auch (noch) gut zu fahren ist. Wir haben Spaß und fahren mit ca. 40-50km/h durch die Wüste – voller Vorfreude auf den Pazifik, er soll knapp 40km nah sein. Als ich ein Sandloch übersehe und ziemlich heftig stürze bekommt die Euphorie einen ersten Dämpfer. Zum Glück ist absolut nichts passiert, und das, obwohl ich hart auf der linken Körperhälfte aufgeschlagen bin – leider war das Sandloch an der Sturzstelle bereits vorbei und ich liege auf hartem Geröll. Wir haben tolle Kleidung und die zusätzlich erworbenen Protektoren (insbesondere der Hüftprotektor) sind Gold wert!! Wir können also schnell wieder lachen und dem Motto huldigen „Zuerst ein Foto, dann wieder aufrichten“. Weiter geht es, wenn auch langsamer, da der Schreck schon ein wenig in den Knochen steckt! Die Straße wird im weiteren Verlauf immer schlechter, wir diskutieren umzudrehen, wollen aber in dieses Dorf am Pazifik, es soll dort so schön sein.
Ich versuche mal die Straßenverhältnisse zu beschreiben: Wüste mit ca. 45-56 Grad Celsius, Schotter, Waschbrettmist, weicher Sand, steil bergauf und steil bergab, völlig ausgespülte Straßenabschnitte mit bis zu 50cm tiefen und genau so breiten Längsrissen schaffen eine Restfahrbahn von ebenfalls 50cm – all das ständig und unvorhersehbar abwechselnd. Ab und an wurde das Gröbste durch feinsten Schotter ausgebessert, der mindestens 30cm tief ist und überhaupt keinen Halt gibt, die Motorräder sinken sofort ein.
Ein vorbeikommender Minenarbeiter erklärt den weiteren Weg bis zu einer Oase und zwei Fischercamps am Meer…kein Dorf, nur Fischer, aber egal …. ist ja nicht mehr weit. Nach gut 30km erreichen wir die Oase, ein wunderschöner Anblick, denn dort bieten Bäume einen kleinen Schatten in der sengenden Sonne. Es gibt zwar Häuser, aber keine Menschen zu sehen. Also weiter in die Wüste hinein. Die Straße wird kurz besser, wir atmen auf. Aber nach 10km kommt der Abzweig zur Miene. Wir fahren weiter nach Punta Canoas. Jetzt wird es richtig gruselig! Keiner hat uns gesagt, dass die tropischen Regenfälle, die hier vor Wochen nieder gegangen sind, die Wege nahezu unpassierbar gemacht haben. Jeder km ist ein Kampf und bei einer Abfahrt mit losem groben Schotter und tiefen Furchen zerreißt es uns immer wieder. Völlig fertig, bei Dunkelheit und nach mehr als 70km erreichen wir das Fischercamp, ja wirklich nur ein Camp. Eine Kombination aus Müllplatz, Fischerbooten, mehr oder weniger funktionsfähigen Wohnmobilen und ein paar gemauerten Unterschlüpfen…. alles sieht sehr unbewohnt aus…..blöd, denn auch mit dem Trinkwasser haben wir uns verschätzt (knapp 7 Liter waren weg!!!!), die Anstrengungen hatten ihren Tribut gezollt.
Plötzlich, wie schon so oft, kommt ein Mann aus der Dunkelheit auf uns zu. Er heißt Jesus und wohnt hier mit seiner Frau und bietet uns spontan Wasser oder Kaffee an. Er zeigt uns einen Zeltplatz direkt neben seinem Haus. Die Menschen die wir treffen sind und bleiben sehr hilfsbereit. Wir bauen in Windeseile das Zelt auf und gehen für eine Katzenwäsche in den Pazifik – ein tolles Gefühl das frische Meerwasser auf dem völlig verdreckten und versandeten Körper. Der Halbmond steht über uns und zaubert einen silbernen Streifen auf das Meerwasser. Die Wellen rollen gleichmäßig und sehr laut auf uns zu. Nach einer Nacht Tiefschlaf verlassen wir am nächsten Morgen das Fischercamp mit frischen Wasservorräten und müssen den gleichen Weg zurückfahren, da alle anderen Verbindungswege durch die Stürme zerstört wurden. Im Nachhinein erzählen wir die Ereignisse gerne, aber zu dem Zeitpunkt hat das sehr viel von uns abverlangt.
…….. und es geht noch weiter !!!
Im Süden der Baja California verbringen wir einige Tage in La Paz um dann mit der Fähre nach Topolobampo über zu setzen. Von hier aus führt uns der Weg durch Zentral Mexico ans Karibische Meer. Die Straßen sind teilweise unangenehm, da man nie weiß wann das nächste Schlagloch kommt. So schön die Natur ist, unaufmerksames Umherschauen wird oftmals mit harten Schlägen fürs Motorrad geahndet. Ganz nebenbei springen zwischen den Schlaglöchern regelmäßig, Pferde, Ziegen und Kühe umher – auch damit möchte man ungern kollidieren.
Nach der alten Mayastadt Palenque fahren wir nach Guatemala ein. Ein lustiges Land mit freundlichen Menschen, fürchterlichen Abgasen und lebensmüden Busfahrern. Guatemala ist günstig, die Lebenshaltungskosten sind hier sehr, sehr niedrig. Das haben sich auch einige „Alt68er“ gedacht, die hier in großer Zahl hängengeblieben sind und insbesondere der Stadt Panajachel am Lago Atatitlan einen ganz besonderen Flair verliehen haben. Und auch in Guatemala ist die Landschaft geprägt von Vulkanen. Alleine der Lago Atatitlan ist ein explodierter Vulkan mit einem Durchmesser von 13km und wird umgeben von zahlreichen weiteren, teils auch noch aktiven, Vulkanen. Beeindruckend! Ich sagte es am Anfang, wir reisen auf dem pazifischen Feuerring und das merkt man. Immer mal wieder steigen Rauschsäulen empor.
Von Guatemala aus fahren wir durch El Salvador über Honduras nach Nicaragua ein. Alle genannten Länder haben ihren Reiz auch wenn die Grenzübergänge für das europäische Gemüt anstrengend sind. Sollte sich noch mal jemand über die deutsche Bürokratie beschweren: lasst ihn mit einem eigenen Fahrzeug durch Mittelamerika fahren!
In Nicaragua stellen wir fest, dass wir hier nicht zum letzten Mal sein werden. das Land ist toll! So finden wir in der Stadt Leon ein kultiges Hostel. Das „Chilli Inn“. Es ist günstig, wir dürfen die Motorräder hineinfahren (das ist übrigens seit Mexiko Standard) und wir genießen kühles Bier bei chilliger Musik.
Auch der kleine See Apoyo bietet eine Bilderbuchkulisse. Er ist fast kreisrund und hat steile Hänge. Das ist nicht verwunderlich, denn wir schwimmen an diesem Abend im Krater eines Vulkans mit 6km Durchmesser. Unser Hostel ist an die steile Böschung gebaut und der Abend in den Hängematten mit Blick auf den See bleibt unvergessen.
Costa Rica ist das touristisch erschlossenste Land. Es ist jedoch auch das teuerste Mittelamerkias. Egal, nachdem wir so viel gecampt haben und zumeist in wirklich günstigen Hostels übernachtet haben, gönnen wir uns in Costa Rica Luxusunterkünfte:
1.„Mountain Lodge“ im Naturpark „Volcano Ricon de Vieja“
2.Das „Rafiki Beach Camp“ am Matalapo Beach
3.Das „Rio Tico Safari Camp“ im Regenwald
Alle drei Unterkünfte konnten wir zwar runterhandeln, aber eigentlich passen diese nicht ins Reisebudget. Dennoch – das Erwandern des Regenwaldes und die Traumunterkünfte mit den Geräuschen der Tiere in den Nächten oder das Rauschen des Meeres im Rafiki Beach Camp möchten wir nicht missen. In einer Nacht beteiligen wir uns auch an der „Schildkrötenschutzstreife“ einer kleinen internationalen Gruppe junger Menschen, die sich dem Schutz der Meeresschildkröten verschrieben haben. Nacht für Nacht, gehen sie 5km am Strand auf und ab, um die frischen Nester zu finden und die abgelegten Eier einzusammeln und an einen Platz zu bringen, wo sie 24 Stunden am Tag bewacht werden. Die Eier sind wohl eine Delikatesse.
Von Costa Rica aus geht es durch Panama in das eigenständige Gebiet der Kuna Indianer am San Blas Archipel. Denn zwischen Panama und Kolumbien gibt es keine Straßen – nur schmale Pfade durch den Urwald. Für unsere schwerbeladenen Reisemotorräder unmöglich zu passieren. Deshalb haben wir uns zu einer Segeltour durch das karibische Meer entschieden. dazu nutzen wir die unter Motorradfahrern legendäre „Stahlratte“.
Es erfordert schon große Beherrschung nicht in Tränen aus zu brechen, wenn das eigene Motorrad mittels Rahr und Seilzug von einem einfachen Holzsteg über das Meer an Bord der Stahlratte gehievt wird. Diese steht dabei fest auf dem sandigen Meeresboden des flachen Traumstrandes. Aber alles klappt hervorragend und so segeln wir mit 16 weiteren Motorradfahrern und –Fahrerinnen durch das karibische Meer, vorbei an Trauminseln bis nach Cartagena / Kolumbien.
Das Ausladen ist noch mal ein bisschen spektakulärer, denn die Stahlratte liegt im Großen Hafens Cartagenas recht weit draußen. Die Motorräder werden auf ein Holzponton gehoben, der jeweilige Fahrer muss sich drauf setzten, damit sie auf dem wackeligen Ponton nicht umfallen und wenn das Ponton mit 6 Motorrädern voll ist, wird es mit einem Schlauchboot in Richtung Holzanleger geschoben. Dort muss man dann über einen kleinen Niveauunterschied an Land fahren. Hat alles super geklappt, war halt nur spannend.
Es geht quer durch Kolumbien, durch Medellin nach Cali, weiter vorbei an Kaffeeplantagen und immer weiter hoch in die hier beginnenden Anden. Das ist fahrerisch und landschaftlich wunderbar. Einen Tag wechseln wir auf jeweils 1PS und machen einen fast 6-stündigen Ausritt. Wir „erreiten“ eine Kaffeeplantage und lernen alles über unser Lieblingsgetränk.
Von Kolumbien aus fahren wir durch die Nebelwälder Ecuadors bis zum Äquator-Monument. Ab hier sind wir auf der Südhalbkugel der Erde. Von Quito aus führt eine 8-spurige Autobahn in Richtung Süden – eigentlich nichts ungewöhnliches, wenn man vergisst, dass sich diese auf einer Höhe von 3500m befindet. Von der Stadt Banjo aus wollen wir weiter in Richtung Süden fahren. Wir entscheiden uns anstelle der Straße über die Höhenzüge, die E45 zu nehmen, das ist die kleinere Straße, die östlich der Anden verläuft. Zu unserer Linken befindet sich das breite Amazonasbecken mit seinem tiefen Dschungel, zu unserer Rechten die Anden und über uns fliegen die Tukane. Es ist ein unbeschreibliches Glücksgefühl diese wunderbare Straße zu befahren.
Der Nordwesten Perus ist furchtbar. Hier ist die Panamericana auf ca. 200 km rechts und links der Fahrbahn völlig vermüllt und damit meinen wir nicht, dass hier mal immer wieder jemand eine leere Dose aus dem Fenster geworfen hat – nein – hier wurde Müll LKWweise abgeladen. Es stinkt zum Himmel. Dieser Geruch der Verwesung , dem man nicht entkommen kann, ist grausam. Leider verfolgt uns dieser Dreck immer wieder, sobald wir die Panamericana durch die Wüste befahren.
Überglücklich biegen kurz hinter Chiclayo links ab und fahren in die Anden hinauf nach Chachapoya. Hier fahren wir über Pisten, die in den Berg gehauen wurden, immer weiter hoch bis zu den Inkaruinen von Kuelap. Auch den im Urwald liegenden und erst 2006 entdeckten Wasserfall Gocta können wir relativ nah mit unseren geländegängigen Motorrädern erreichen. Den Rest müssen wir erwandern – und dabei merkt man schnell: Das Motorradfahren steigert nicht die Fitness und die Höhe (über 3000m) bringt zusätzlich noch Schnappatmung!
Peru hat viel zu bieten, nicht nur kulturell, auch fahrerisch beeindruckt das Land, denn man fährt in kurzer Zeit von Meereshöhe hinauf auf über 4700 m. Das wird leider einem Freund zum Verhängnis, der mit seiner Freundin, beide auf 2 Suzuki’s, von Nasca hinauf nach Puquío fährt und völlig unerwartet und plötzlich an einem Lungenödem (Höhenkrankheit) verstirbt.
Man darf diese Höhe als Motorradfahrer nicht unterschätzen. Ich dachte immer man bekommt Kopfschmerzen und ist kurzatmig, aber es geht auch anders. Besser ist es regelmäßig Pausen ein zu legen und sich den Körper an diese Höhen gewöhnen zu lassen.
Über Cusco fahren wir zum Titicaca See und weiter nach Arequipa. Danach erreichen wir Chile. Hier geht die Straße entlang des Pazifiks und die reinrollenden Wellen und einsamen kilometerlangen Stände sind traumhaft schön. Über Arica fahren wir durch die Atacama Wüste nach San Pedro de Atacama. Das kleine Dorf dient uns als Basislager denn wir wollen den Salar de Atacama (Salzsee) mit seinen Flamingos besuchen und den Sonnenuntergang im Vale de la Luna genießen. Über viele tausende von Kilometern fahren wir ducrh die Wüste. Vielleicht glaubt manch einer, dass das langweilig sei. Uns hat es fasziniert. Die ständig wechselnden Farben des Sandes, der trockenen Wind, die Windhosen und auch die endlosen Weiten.
Vorbei an großen Scharrbilden, ähnlich der Nascalinien fahren wir nach Chile und in Richtung des Naturparks Pan de Azúcar. Hier campen wir direkt am Pazifik und genießen die atemberaubende Natur. Wer nun die Vorstellung von „im Wasser liegend und Schirmschendrink genießend“ hat, liegt falsch! Denn hier schwimmen Pinguine – und die lieben kaltes Wasser. Durch den Humboldtstrom ist das Wasser unglaublich kalt und es erfordert größte Überwindung sich auch nur bis zum Bauchnabel hinein zu wagen.
Leider geht die Reise langsam zu Ende – HaDi will immer weiter fahren, alles hinschmeißen. Irgendwie schaffe ich es ihn umzustimmen. Zu Neujahr sind wir in der Stadt Vera Cruz. Sie liegt inmitten einer Weinregion und so lernen wir alles über die Weine der Gegend und genießen einen tollen Sprung ins Jahr 2014.
Die Reise neigt sich dem Ende. HaDi muss Mitte Januar wieder arbeiten. Ich hätte zwar noch etwas Zeit, bin aber so voller Eindrücke, dass ich auf gar keinen Fall alleine weiter fahren möchte. Deshalb verabschieden wir uns am 08.01. aus Chile und reisen mit unendlich vielen Erinnerungen zurück in den deutschen Alltag.
Den kompletten Reisebericht findet ihr unter: www.fahrbelwesen.de
Eckdaten:
Nördlichster Punkt: Coldfoot/Alaska
Südlichster Punkt: Constitución/Chile
Tiefster Punkt: 68m unter Meeresspiegel im Death Valley
Höchster Punkt 4700m ein Bergpass in Peru
Niedrigste Temperatur: Minus 4 Grad (erstaunlich warm!) in Alaska
Höchste Temperatur: 56 Grad auf der Baja California
Text und Fotos Hans-Dieter Husfeldt und Julia Beckerext und Fotos Hans-Dieter Husfeldt und Julia Becker