Leverkusen 21.05.2013: Die „Generalprobe“ haben sie bereits bestanden – das verlängerte Wochenende in Polen diente allerdings weniger einem „Härtetest“ der Maschinen als vielmehr dem Gedankenaustausch mit anderen Motorradfans. Voll bepackt ging es schließlich über Prag und Nürnberg zurück nach Hause. Und immerhin: eine gebrochene Zeltstange sowie Wasser und Matsch in rauen Mengen, „teilweise so tief, dass das Vorderrad zu drei Vierteln versank“, waren als Testbedingungen gar nicht so ohne.
Für das, was Julia Becker und Hans-Dieter Husfeldt vorhaben, gibt es ohnehin keine hundertprozentige Vorbereitung: Die beiden wollen auf dem Motorrad mehrere Monate durch die USA und Südamerika reisen, um Weihnachten dann auf dem berühmten Berg Machu Pichu mit den gleichnamigen Ausgrabungsstätten zu verbringen.
20.000 Meilen vom nördlichsten zum südlichsten Teil des amerikanischen Kontinents, dafür hat Julia Becker, Dienstgruppenleiterin bei der Polizei im Rhein-Sieg-Kreis, in den vergangenen vier Jahren reichlich Freizeit „angespart“. Volle Arbeitszeit bei 80-prozentiger Entlohnung war der Ausgleich dafür, dass sich die Polizeibeamtin ein Sabbatjahr leisten kann, um ihren Lebenstraum zu erfüllen – von Alaska bis Feuerland einmal quer durch den amerikanischen Kontinent.
Dass ihr Arbeitgeber ihr diese Chance ohne weiteres ermöglicht, hat Julia Becker ebenso überrascht wie erfreut. Noch größer war die Überraschung aber, als sie erfuhr, dass ihr neuer Lebensgefährte nicht nur ihre Leidenschaft fürs Zweirad teilt, sondern sie auf einem Großteil der Strecke auch begleiten will.
Vier Monate am Stück unterwegs sein zu dürfen, das macht Hans-Dieter Husfeldt seinem Arbeitgeber gegenüber ausgesprochen dankbar: Als Leiter der Poliziinspektion Leverkusen war es nämlich gar nicht so selbstverständlich, zwei komplette Jahresurlaube zusammenlegen und diese noch mit 170 Überstunden garnieren zu dürfen.
„Polizeipräsident Wolfgang Albers hat mir jedoch gesagt, er finde es gut, wenn seine Mitarbeiter ihren Horizont erweiterten und andere Kulturen kennenlernten“, erzählt Husfeldt. „Das OK war kein Thema.“
Während seine Freundin schon in wenigen Tagen (am 4. Juni geht’s los) in Alaskas Hauptstadt Anchorage landen wird, um von dort aus durch endlose Wälder und an Küstenstraßen entlang die Natur und die Einsamkeit zu suchen, stößt Husfeldt am 1. September ausgerechnet in Las Vegas hinzu. Größer könnte der Kontrast nicht sein.
Das Paar will sich trotz einer intensiv ausgearbeiteten Reiseroute jedoch auch oft einmal „treiben lassen“, jenseits der ausgefahrenen Pfade Nationalparks erkunden – „einfach tun, was Spaß macht“.
Dazu gehört natürlich auch, dass Motels tabu sind. Es wird gezeltet – dementsprechend sind der größte Bestandteil der mitgenommenen Kleidung Motorradklamotten. Der Hersteller „DANE“, dessen Gore-Tex-Produkte einen hohen Anspruch an Praxistauglichkeit erfüllen, vor allem aber wasserdicht und atmungsaktiv sind, sponsert Becker und Husfeldt sogar. Im Gegenzug verfassen die beiden Berichte, wie die Kluft sich unter extremen Bedingungen bewährt.
Regelrecht leuchtende Augen bekommen die „Motorradpolizisten“ jedoch, wenn es um ihre Maschinen geht: die legendäre Honda Africa Twin, die schon die Rallye Paris-Dakar gewonnen hat und wie geschaffen für außergewöhnliche Herausforderungen ist. „Außerdem können wir diese etwas älteren Maschinen selbst reparieren“, sagen die beiden. 80 000 und 130 000 Kilometer haben ihre „Schätzchen“ schon auf dem Tacho – am Ende der Reise werden viele Tausender hinzugekommen sein.
Gemeinsam fährt das Leverkusen/Rhein-Sieg-Kreis-Gespann nämlich durch Kalifornien, Mexiko, Guatemala, Belize, El Salvador, Honduras, Nicaragua, Costa Rica und Panama, ehe es mit einem Segelschiff durch die Karibik bis nach Kolumbien geht. Angst vor Farc-Rebellen oder Drogenhochburgen wie Medellin haben die beiden nicht. „Wir sind kampfsportmäßig gut vorbereitet“, verrät Julia Becker: „Außerdem glaube ich, dass wir inzwischen durch unseren Beruf ganz genau einschätzen können, wann eine Situation brenzlig zu werden beginnnt. Ecuador und Peru beschließen den zweiten Teil der Reise. „Bleibt dann noch Zeit , warten Chile und Argentinien auch darauf, bereist zu werden“, scherzt Julia Becker. Der Traum wird weitergelebt.
Übrigens: Mit der Frage, was sie eigentlich tun werden, wenn sie in den USA einer der gefürchteten Polizei-Tempokontrollen aufsitzen sollten, hat sich insbesondere Husfeldt noch gar nicht beschäftigt: „Wenn wir zu schnell waren, zahlen wir natürlich“, sagt er – und fügt dann lächelnd hinzu: „Ich glaube aber, dazu sind unsere alten Maschinen gar nicht in der Lage.“